Intelligent Design und dessen deutlich intelligentere Parodie in Form des Pastafarianismus: Bobby Hendersons "Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters"

Am Anfang war das Wort, und das Wort war "Arrrgh!" - so beginnt "Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" Bobby Hendersons, eines Physikers von der Oregon State University Mitte zwanzig. Das dahinter steckende Internet-Phänomen hat damit die dritte Entwicklungsstufe der nerdistischen Evolution - Stufe zwei war natürlich das T-Shirt - erreicht und ist in Druck gegangen.

Wer noch nie vom Fliegenden Spaghettimonster (in der Folge als FSM abgekürzt) gehört hat, hier ein kurzer historischer Abriss: Als die Schulbehörde von Kansas beschloss, Intelligent Design als "Alternative" zur Evolutionstheorie in die Unterrichtspläne zu zwingen, schickte Henderson der Behörde 2005 einen Brief mit der Forderung, dass das Argument der Wahlfreiheit dann auch für andere Theorien gelten müsse. Und fügte neben Beispielen für pseudowissenschaftliche Methoden sein innerhalb kürzester Zeit entwickeltes Theoriengebäude vom unsichtbaren FSM als Schöpfer und heimlichem Lenker des Universums bei: bizarr - wenn auch nicht bizarrer als andere Religionen -, aber in sich einigermaßen stimmig.

Die Erdanpressungskraft

Ein schönes Beispiel dafür ist die FSM-Erklärung der Erdanziehung bzw. hier eigentlich Erdanpressung: Mit seinen "nudeligen Anhängseln" drückt das FSM die Menschen nieder, um sie nicht von der rotierenden Erde sausen zu lassen. Das Paradoxon, dass Menschen heute im Durchschnitt deutlich größer sind als in früheren Jahrhunderten, obwohl es ja viel mehr von uns gibt, die sich die vorhandene Nahrung teilen müssen, ist damit gelöst: Das FSM hat wegen der Bevölkerungsexplosion nicht mehr so viele Tentakel übrig, mit denen es auf jeden einzelnen Menschen drücken kann, also wachsen wir nach oben. Auch die FSM-Interpretation der String-Theorie - Trillionen winziger, zappelnder Nudeln bilden die Grundbausteine des Kosmos als mikroskopische Kopien der Schöpfergottheit - drängt sich geradezu auf. Kein Wunder, dass Hendersons Ideen, nachdem sie erst einmal auf seiner Website veröffentlicht wurden, zu einem veritablen Internet-Phänomen anwuchsen, das schließlich in die Spaßreligion des "Pastafarianismus" mündete.

Das Beispiel der Gravitation ist übrigens geschickt gewählt: Immerhin bereitet die Schwerkraft der theoretischen Physik immer noch heftiges Kopfzerbrechen - zur Erklärung ihrer eigentlichen Ursache und vor allem ihrer vergleichsweisen Schwäche als eine der vier Grundkräfte bemühen manche Modelle sogar die Existenz anderer Universen. Ein verstecktes Highlight also - nicht alles im "Evangelium" ist gleichermaßen gelungen. Und man merkt ihm auch seine Internet-Herkunft an, etwa an den schwarz-weißen Photoshop-Montagen, deren berühmteste wohl die Parodie auf Michelangelos "Die Erschaffung Adams" (Finger berührt Nudel) ist. Enthalten sind auch einige Anregungen für Experimente, etwa wie man einen Topf Ursuppe ein paar Millionen Jahre unter Oberhitze köcheln lässt, um Leben zu erschaffen, oder einen Lastwagen voller Kiwis über eine Klippe kippt, um zu testen, ob sie wirklich im Verlauf der Evolution ihre Flugfähigkeit verloren haben oder einfach nur aus Faulheit lieber zu Fuß gehen. Bastelanleitungen für ein eigenes FSM komplettieren den Mitmachteil - doch das "Evangelium" hat natürlich auch Inhaltliches zu bieten.

Piraten und Erderwärmung

Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert, wobei Teil 1, "Hier irrt die Wissenschaft", den eigentlichen Kern enthält: Eine parodistische Kritik an der Evolutionstheorie - welche zwischen den Zeilen dann mit blütenweißer Weste davonkommt, dient die Scheinattacke doch nur der Illustration dessen, wie die Argumentationsstrategien der Intelligent Design-VertreterInnen aussehen. Schließlich versuchen diese Kreationismus light als wissenschaftliche Hypothese zu vermarkten, ohne sich freilich um Grundanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens groß zu scheren. Hier wie dort wimmelt es daher von "Gottesbeweisen" und haarsträubenden Zirkelschlüssen: Wie die Kreationisten wenden auch wir eine etwas unkonventionelle Wissenschaftsmethode an, wobei wir zuerst unsere Schlussfolgerung festlegen und dann Belege zusammentragen, um diese zu stützen. Damit geht einem die Beweisführung gleich viel leichter von der Hand.

Hier kommen auch die Piraten ins Spiel (gemeint sind die mit Augenklappe und Papagei auf der Schulter), denen im Pastafarianismus die entscheidende Rolle zukommt, dass der Mensch nach ihrem Ebenbild geformt sei - ein Zusammenhang, der sich nicht unbedingt aus sich selbst heraus erschließt. Ausgangspunkt war eine Statistik, die Henderson ebenfalls seinem Brief an die Schulbehörde von Kansas beigefügt hatte. Aus ihr geht hervor, dass sich die Erde in den vergangenenen Jahrhunderten im gleichen Ausmaß erwärmt hat, wie die Zahl der Piraten auf den Weltmeeren abgenommen hat - offenbar gibt es da einen Zusammenhang: eine Scheinkorrelation als Beispiel für pseudowissenschaftliches Vorgehen.

Ausprobieren gewünscht?

Abschnitt 2, "Erklärung des Pastafarianismus", ist dann der schwächste Teil des Buchs: eine skurrile Parodie auf die biblische Genesis mit mehr oder weniger gelungenen Einfällen. In erster Linie wohl für LeserInnen, die am ernsthaften Hintergrund des FSM wenig interessiert sind und einfach Klamauk wollen - wobei man bei Terry Pratchett oder Douglas Adams Gelungeneres lesen könnte. Der Abschnitt mündet allerdings in Die Acht Am Liebsten Wäre Mirs, die FSM-Variante der Zehn Gebote, die vor allem damit glänzt, was den ganzen Pastafarianismus auszeichnen soll: Undogmatische Haltung - eine Art Hendersonsches Toleranzpatent mit Einladung an Andersgläubige zum einmonatigen Ausprobieren unter Gott-zurück-Garantie.

... womit wir bereits in Abschnitt 3 - "Propaganda" - angelangt sind, das wieder zu den anfänglichen Stärken zurückfindet. Redundanzen und Inkonsistenzen inklusive - naja, in welchem religiösen Werk gibt's die nicht? Neben Vorschlägen zu zielgruppengerechten Missionierungsstrategien (unterernährten Prominenten müssten beispielsweise die Segnungen einer kohlehydratreichen Gottheit einleuchten ...) sorgen hier vor allem einige Gastbeiträge von UnterstützerInnen Hendersons, die aus ihren jeweiligen Disziplinen heraus Belege für das FSM entwickelt haben, für Glanzlichter. So weist etwa die New Yorker Mathematikerin Kelly Black auf die enge Verwobenheit zwischen ihrem Fachgebiet und der Religion hin und leitet daraus - bitte nach Kansas weiterschicken - die Forderung ab, Mathematik müsse unbedingt Komponente jeder religiösen Erziehung sein. Und der Meteorologe Jacob D. Haqq-Misra und der Physiker Michael B. Larson finden sogar tatsächlich den Kausalzusammenhang zwischen Piraten und Erderwärmung. "Propaganda" demonstriert damit einmal mehr, in welcher Disziplin "Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters" eigentlich zuhause ist: nicht in der Physik oder Theologie, sondern in der Rhetorik.

"I like your Christ, I do not like your Christians. Your Christians are so unlike your Christ." (Gandhi)

"Spaßreligion" ist nicht gleich "Spaßreligion": Auch der Jediismus, der vor ein paar Jahren für Schlagzeilen sorgte, hatte popkulturelle Wurzeln, in diesem Fall die "Star Wars"-Filme. Verbunden mit einem Gebräu aus anderen Religionen entstand daraus aber eine eher eskapistisch ausgerichtete "Bewegung" - der FSMismus hingegen ist ein Mittel zum Kampf: Eine Gegenoffensive in Zeiten, da der Obskurantismus wieder überall seine hässlichen Häupter erhebt und die Aufklärung rückgängig zu machen versucht. Und das findet nicht nur in den USA statt, an denen in unserem Forum so gerne hämische Kritik geübt wird - erinnert sei etwa an die letztlich gescheiterten Lobby-Bemühungen, "Gott" in die EU-Verfassung zu schreiben. derStandard.at brachte damals eine UserInnen-Umfrage, welcher Gott das denn sein solle; gewonnen hat übrigens - wenn auch weit abgeschlagen hinter der Option "Keiner" - Bacchus. Ob Spaßguerillaaktionen als Augenöffner reichen, sei dahingestellt. Immerhin ist es ein Anfang.

Wie gesagt: Am Anfang war das Wort, und das Wort war "Arrrgh!" Was eigentlich der "Piraten-Ausruf" sein soll, lässt sich somit auch als gequältes Ächzen angesichts der gesellschaftlichen Umstände, aus denen das FSM geboren werden musste, interpretieren. Womit der Pastafarianismus wohl endgültig den Status einer etablierten Religion erlangt haben dürfte: Seine heilige Schrift lässt bereits unterschiedliche Exegesen zu. RAmen.
(Josefson)
QUELLE

FSM

Die Homepage dürfte wohl den meisten bekannt sein, aber dass die ein Buch haben ist ja mal saugeil
Bei Amazon gibt's das Buch für 8€, werde ich mir denke ich mal holen:
http://www.amazon.de/Evangelium-flie.../dp/3442542626